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[Bildbeschreibung: Fotografische Dokumentation der Ausstellung: Warmes Licht belöäuchtet aus verschiedenen Klemmlampen die Objekte im Raum. Der Raum hat hohe Decken und einen Beton Boden. Die dunkelbraune Farbe blättert von der Decke. Es ist Abend. Auf dem Boden liegten Orangene Schaummatten, darüber Kissen und Decken in blau, rosa, und gelb. In der mitte des Raums liegen viele Kissen bei einander, auf ihnen liegen Kopfhörer. Im Raum verteilt stehen Paravents aus Holz. An ihnen und von der Decke hängen Keramiken und Batiken. Ein roter Werkstattwagen steht im Raum links neben der zentralen Liege Insel. Auf ihm sind Bücher, Zines, getrocknete Blumen und Keramiken zu sehen. An manchen PAravents hängen Displays über die das Skript von Körper Barrikaden hängt.]
[Image description: Photographic documentation of the exhibition: Warm light from various clamp lamps illuminates the objects in the room. The room has high ceilings and a concrete floor. The dark brown paint is peeling from the ceiling. It is evening. Orange foam mats lie on the floor, above them pillows and blankets in blue, pink, and yellow. Many pillows are lying next to each other, in the middle of the room, with headphones on top of them. Wooden screens are scattered around the room. Ceramics and batiks hang from them and from the ceiling. A red workshop trolley stands in the room to the left of the central pillow island. On it are books, zines, dried flowers and ceramics. Some Paravents have displays hanging fom them containing the script of body barricades].
Körper Barrikaden
Barrikaden sind Schutzwälle im Straßenkampf, die aus Gegenständen des alltäglichen Lebens meist improvisiert zusammengestellt werden. Die Gegenstände, aus denen die Barrikaden bestehen, haben keinen logischen Zusammenhang. Sie folgen keiner bestimmten Konstruktion. Sie berühren sich zufällig, liegen auf dem Kopf. Ein Tischplatte ohne Beine mit einem Fahrrad verkeilt, daneben eine Kommode ohne Schubladen. Sie sind Fragmente eines Ganzen, haben ihre Funktion verloren und eine neue gewonnen.
Körper Barrikaden ist ein Soundstück aus vielen Stimmen und einigen, bekannten Geräuschen. Die Stimmen sprechen zum Teil persönlich, zum Teil abstrakt. Sie widersprechen sich. Sie versuchen gemeinsam zu sprechen, weiterzukommen, Handlungen zu er_finden.
Das Soundstück besteht aus Fragmenten von Aufnahmen aus diesem Jahr und Archivmaterial mit der afroamerikanischen Aktivistin Sista Souljah aus dem Jahr 1992.
Körper Barrikaden beginnt mit dem Zustand des Nichtklarkommens, der Erschöpfung: Bewegungslos sein, zu spät kommen, müde sein, sich die Kante geben. Hier erscheinen die Körper selbst als Barrikaden im reibungslosen Funktionieren. Sie stören, unterbrechen, halten auf.
Welches Potential birgt dieses Moment für das Entwickeln gemeinsamer, solidarischer und kritischer Praxen? Und wer wird wie erschöpft?
Im zweiten Teil geht es um den Hintergrund der multiplen Erschöpfungen. Sie werden durch prekäre Wohn- und Lohnarbeitsverhältnisse geschaffen. Durch Zuschreibungen von außen. Durch den Mangel an Zugang zu Ressourcen. Durch Scham und den Wunsch zu verschwinden.
Aber auch positiv gewendet: durch die Empfindung von Scham sich der eigenen Klasse bewusst zu werden, bedeutet die Möglichkeit zu
emanzipatorischer Selbstveränderung oder selbstbewusstem Beharren auf Differenz.
Welchen Weg die Sprechenden auch einschlagen, wichtig ist mir an dieser Stelle die Analyse von Sister Soulja. Sie beschreibt die Veränderung, die rassifizierte Menschen und/oder Menschen der Arbeiter*innenklasse durchmachen um in mächtige Institutionen wie Bürger*innenmeister*innenämter aufzusteigen. Sie zeigt auf, dass die Veränderung mächtiger Institutionen nicht durch Individuen herbeigeführt werden können – sondern durch gesellschaftliche Organisierung und den Aufbau von Gegenmacht und Gegeninstitutionen.
Eine persönliche und fragmentarische Praxis verbindet fast alle Sprechenden. Es ist das Anlegen eigener Sammlungen, die sich dem Wertlos- Schönen, dem Fragmentarischen und Zufälligen widmen. Die unleserlich und unlesbar bleiben. Schnipsel. Kassenbons. Kronkorken. Ein Stück einer Alge. Eine bunte Glasflasche. Große Taschen voller Dinge, die vielleicht benötigt werden. Dünne Plastiktaschen vom Spätkauf. Plastikfolien um die Hintern von Freund*innen beim Ficken vor Splittern zu schützen. Kleine Gesten von Sorge und Care, die sich der Verwertung entziehen.
„Ich trage Schnipsel mit mir herum, die sich nicht zusammensetzen lassen in etwas kohärent Größeres.“ sagt Mauve in Körper Barrikaden. Und Melo antwortet im Reim:
This is the tale of trash and trashure who went along with moaning pleasure far apart yet hands in hand
through the litter wonderland.
Körper Barrikaden ist Ausstellung und Hörlandschaft in Programm Failure, Futures, Fabrications im Gemeinschaftsraum des Kollektivs 2o46 e.V. in der Teilestr. 11-16. Failure, Futures, Fabrications wird begleitet von der Künstler*in und Sorgearbeiter*in Lee Stevens.
Text: Cornelia Herfurtner
Körper Barrikaden (Body Barricades)
Barricades are protective walls during riots, usually improvised from objects of everyday life.The objects that make up these barricades have no logical connection.They do not follow any particular construction.They touch each other randomly, lying on their heads.A table top without legs wedged together with a bicycle, next to it a commode without drawers.They are fragments of a whole, have lost their function and gained a new one.
Body Barricades is a sound piece made of many voices and some, familiar sounds.The voices speak partly personal, partly abstract.They contradict each other.They try to speak together, to move on, to in_vent ways of action.
The sound piece consists of fragments of recordings from this year and archival footage with African American activist Sista Souljah from 1992.
Body Barricades begins with the state of not being able to cope, of exhaustion: being motionless, being late, being tired, getting drunk. Here the bodies themselves appear as barricades in the way of smooth functionality.They disturb, interrupt, stop.
What potential does this moment hold for the development of common, solidarity and critical practices? And who is exhausted and how?
The second part is about a background of multiple exhaustions.They are created by precarious housing and wage labor relations. By attributions from the outside.Through lack of access to resources.Through shame and the desire to disappear.
But also turne to a positive: becoming aware of one's own class through the sensation of shame means the possibility of emancipatory self- transformation or self-conscious insistence on difference.
Whatever path the speakers take, what is important to me at this point is Sister Souljah's
analysis. She describes the transformation that racialised people and/or working class people go through in order to ascend to powerful institutions such as civic offices. She shows that the transformation of powerful institutions cannot be brought about by individuals - but through social organising and the building of a counter-force and counter-institutions.
A personal and fragmentary practice unites almost all the speakers. It is the creation of their own collections, dedicated to the worthless but beautiful, the fragmentary and random.Which remain illegible and unreadable. Snippets. Receipts. Bottle caps.A piece of algae.A colourful glass bottle. Large bags full of things that might be needed.Thin plastic bags from the grocery store. Plastic sheets to protect friends' butts from splinters while fucking. Small gestures of care and concern that defy commodification.
"I carry around snippets that can't be put together into something coherently larger." says Mauve in Körper Barrikaden.And Melo responds in rhyme: This is the tale of trash and trashure
who went along with moaning pleasure far apart yet hands in hand
through the litter wonderland.
Körper Barrikaden is an exhibition and soundscape in the program Failure, Futures, Fabrications in the community space of the collective 2o46 e.V. at Teilestr. 11-16. Failure, Futures, Fabrications is accompanied by the artist and care worker Lee Stevens.
Text: Cornelia Herfurtner
Körper-Barrikaden ist eine Hörlandschaft - der Versuch einer Annäherung an versagende & versagte Körper im Kunst und Kulturbetrieb.
Körper Barrikaden collagiert die Stimmen, die Klänge, die Strategien und das Material von 10 Künstler*innen und Kollektiven, die gemeinsam der Frage nachgehen wollen, in welchem Setting wir dieses doppelte Versagen besonders drastisch spüren: Wie kommodifiziert der Kunst- und Kulturbetrieb unsere Körper oder drängt sie zur Verformung? Was bedeutet es, in einen akademischen Körper hineinzuwachsen, wenn die eigene Familie Arbeiter*innen-Körper bewohnt? Wir fragen uns, wogegen wir eigentlich Barrikaden errichten wollen, wie wir unsere Körper und Praktiken schützen und wie körper solidarische Koexistenz aussehen könnte.
Das gesammelte Material ist wiedersprüchlich, überraschend, brüchig, verspielt, intim & ungehalten. Es ist eingebettet in einen Raum der durch Kissen, Teppiche und Decken zum horizontalen verweilen, ruhen und gemeinsamen hören aufruft.
Körper Barrikaden (Body Barricades) is a sounding landscape- an attempt to approach failing and failed bodies in the art and culture industry.
Body Barricades collages the voices, sounds, material and strategies of 10 artists and collectives who explore the question in which setting we feel this double failure particularly drastic: How does the art and culture industry commodify our bodies or push them to change shape? What does it mean to grow into an academic body when one's family inhabits working-class bodies? We ask ourselves what we actually want to erect barricades against, how we protect our bodies and practices and what physical solidarity in coexistence could look like.
The collected material is contradictory, surprising, fragile, playful, intimate & indignant. It is embedded in a room that invites us through cushions, carpets and blankets to linger horizontally, to rest and to listen together.
Mit Stimmen, Klängen, Material und Strategien von
Melo Börner
Alvina Chamberland
Failing Femmes
Feminstische Gesundheitsrecherchegruppe
Leila Hassan
Len Lukowski
Mauve Rivask
Noa Jaari
Ross Silva
Camara Taylor
Sounddesign: Maxim Franks
Das Projekt wird begleitet von Lee Stevens und Laura Basten
Heft zum Hörstück von Sebastián Ymai,Ak Print 4 Life und Lee Stevens
With the voices, sounds, material and strategies of:
Melo Börner
Alvina Chamberland
Failing Femmes
Feminist Health Care Research Group
Leila Hassan
Len Lukowski
Mauve Rivask
Noa Jaari
Ross Silva
Camara Taylor
Sound design: Maxim Franks
The project is accompanied by Lee Stevens and Laura Basten
Zine for the radio play by Sebastián Ymai, AK Print 4 Life and Lee Stevens
Wollt ihr eine Zine? Schreibt eine mail an mail@failure.academy
Want the Zine? Drop us a mail at mail@failure.academy
Gefördert durch den Fonds Soziokultur aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.